von Susanne Erbay | Feb., 2025 | DE, Geschichte, Sehenswürdigkeiten, Tradition, Veranstaltungen
Der Bonner Karneval wird auch als „Fünfte Jahreszeit“ bezeichnet und beginnt offiziell am 11. November um 11:11 Uhr und erreicht seinen Höhepunkt in den Tagen vor Aschermittwoch.
Ursprünglich wurde der Karneval als heidnisches Fest gefeiert, um den Winter zu vertreiben. Später wurde der Karneval vor der christlichen Fastenzeit vor Ostern gefeiert.
Auch wenn nicht alle Bonnerinnen und Bonner Karneval mögen und feiern, hat er eine kulturelle und soziale Bedeutung. Viele engagieren sich in Karnevalsvereinen, von denen es zahlreiche in Bonn und den Bonner Stadtteilen gibt. Jeder Karnevalsverein hat andere ‚Uniformen‘ oder Kostüme. Die Uniformen gehen auf die französische Besatzung Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Die Besatzer verboten den
Karneval, da sie Aufruhr fürchteten. Nach dem Ende der Besatzung wurde aber wieder gefeiert, und zwar in den Uniformen, die die Franzosen hinterlassen hatten. Man machte sich damit lustig über die Besatzer, später auch über die preußischen Besatzer. Ein Überbleibsel ist der ‚Stippeföttche‘, ein Tanz, bei dem Männer mit Säbel und Gewehr (in dem allerdings Blumen stecken) ihre Hinterteile aneinander ‚wibbeln‘.
Die Karnevalsvereine organisieren während der Session viele Karnevalssitzungen. Es gibt Prunksitzungen, Bälle, Tanzpartys, Damensitzungen, Herrensitzungen, Kindersitzungen – für jeden ist etwas dabei. Manch ein erfolgreicher Comedian oder auch einige Musiker hatte dort seine ersten Auftritte und legten den Grundstein für ihren Erfolg.
Der Auftakt des Straßenkarnevals ist die Weiberfastnacht. Traditionell stürmen die Frauen an diesem Tag das Rathaus, schneiden den
Männern die Krawatten ab und übernehmen symbolisch die Macht. Dieser Brauch wurde vor 201 Jahren, im Jahr 1824, von den Beueler Wäscherinnen eingeführt. Damals brachten die Männer per Schiff die frisch gewaschene Wäsche nach Köln bekamen dafür das Geld, das sie häufig auch im Karneval verprassten. 1824 reichte es den Wäscherinnen und sie beschlossen, hart durchzugreifen. Sie trafen sich zum Kaffeeklatsch und gründeten das Alte Beueler Damenkomitee 1824 e. V. Seitdem wird in Beuel traditionell das Rathaus gestürmt und es findet der Weiberfastnachtszug statt.
Am Karnevalssonntag wird das Alte Rathaus am Bonner Marktplatz durch die Narren gestürmt. Die Oberbürgermeisterin versucht es zu verteidigen – natürlich erfolglos. Ab 11 Uhr herrscht ein närrisches Treiben auf dem Bonner Marktplatz – schaut doch mal vorbei.
Der Höhepunkt des Bonner Karnevals ist der Rosenmontagszug. Mehrere
Stunden lang ziehen geschmückte Wagen, Fußgruppen und Musikvereine durch die Innenstadt und die Nordstadt. An der Zugstrecke stehen Tausende von Menschen und sammeln ‚Kamelle‘ und ‚Strüssje‘, also Bonbons und Blumensträuße. Für alle, die noch nie dabei waren: nehmt genügend Beutel für die Süßigkeiten mit.
Der Prinzen und die Bonna sind die Repräsentanten der Stadt während der närrischen Zeit. Sie nehmen an zahlreichen Veranstaltungen teil und sind die Stars der Session und natürlich des Rosenmontagszugs. Der letzte Wagen des Rosenmontagszugs ist der Wagen des Bonner Prinzenpaars, bevor dann die Stadtreinigung Bonn-Orange den gröbsten Schmutz des Zuges beseitigt. Ordnung muss sein. 🙂
Es lohnt sich auch als Nicht-Bonnerin oder Nicht- Bonner in jedem Fall, sich auf das Abenteuer Karneval einzulassen.
Mehr Informationen und Termine gibt es unter https://www.karneval-in-bonn.de/start/index.html
von Gert Fischer | Dez., 2024 | Architektur, DE, Geschichte, Sehenswürdigkeiten
Die Freitreppe des Alten Rathauses hat bessere Tage gesehen. Ihre großen Auftritte sind rar geworden. Regelmäßig rückt sie nur noch am Karnevalssonntag in den Mittelpunkt, wenn die Karnevalisten zum Rathaussturm ansetzen. Dazu kommen seltene Ereignisse, in denen sie ihre frühere Bedeutung als große Bühne für kurze Zeit zurückgewinnt. So geschehen 2023, als die Telekom Baskets Bonn sich nach dem Gewinn der Champions League von ihren Fans auf ihr feiern lassen durften. Den Marktplatz füllen konnten die Jubelnden bei dieser Gelegenheit genauso wenig, wie die Jecken das am Karnevalssonntag schaffen. Da war Charles de Gaulle schon eine andere Nummer, als er sich am 5. September 1962 ins Goldene Buch der Stadt eintrug und danach unter Begeisterungsstürmen zusammen mit Konrad Adenauer auf die Freitreppe hinaustrat. Der Markt und der Bischofsplatz waren schwarz von Menschen, die bis weit hinein in die Sternstraße und die Wenzelgasse standen. Nach einer frei und auf Deutsch gehaltenen Rede schritt der damals akut attentatsgefährdete französische Staatspräsident zum Entsetzen seiner Sicherheitsleute die Treppe hinunter und nahm dann das, was wir heute ein Bad in der Menge nennen.



Vergleichbares hat die Rathaustreppe in Bonner Hauptstadtzeiten immer wieder erlebt. Von Theodor Heuss, der sich unmittelbar nach seiner Wahl zum ersten Bundespräsidenten von hier an das deutsche Volk wandte, über Kennedy 1963 und die Queen 1965 reicht die Liste bis hin zu Gorbatschow im Jahr 1989. Längst nicht alle Anlässe waren so spektakulär, und im Verlauf der Zeit zog auch Routine ein. Staatsbesuche waren, anders als noch in den sechziger Jahren, Alltag geworden. Trotzdem blieb die Rathaustreppe so etwas wie die Bühne der Bonner Republik. Der Grund war profan: Das Regierungsviertel lag abseits und es verfügte – Provisorium, das es war – über keine repräsentative Versammlungsfläche. Der Markt half aus.
Das gilt im übrigen auch für Demonstrationen. Bis in die achtziger Jahre hinein, als die Proteste gegen die Nachrüstung aufgrund ihres schieren Umfangs in den Hofgarten ausweichen mussten, war der Bonner Markt der wichtigste Demonstrationsort der Bundesrepublik Deutschland. Die Rathaustreppe spielte auch da manchmal eine Rolle – die vielleicht unrühmlichste am 10. April 1973, als Mitglieder der K-Gruppen im Schutz einer Studentendemonstration gegen den Besuch des südvietnamesischen Präsidenten in Deutschland das Rathaus stürmten – die Bedeutung dieser Begriffe für den Karneval mag ihnen nicht bewusst gewesen sein – und seine Einrichtung zu Klump schlugen. Danach ließen Sie sich, auf der Treppe stehend, von den Demonstranten feiern. Wir wohnten damals am Belderberg, und ich kann mich noch daran erinnern, wie die Demonstranten, im Sprunglauf untergehakt, vom Suttnerplatz kommend in die Rathausgasse einbogen und dabei den Namen Ho Chi Minhs skandierten. Der Rest ist Geschichte.
Revolutionär war es auf der Treppe schon viel früher: Am 20. März 1848 z.B. marschierte Gottfried Kinkel an der Spitze eines Zuges von Bürgern, Professoren und Studenten. Bewaffnet mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne bestieg er die Freitreppe des Rathauses und sprach, wie Carl Schurz es ausdrückte, mit „wundersamer Beredsamkeit“. Weniger lebhaft ging es am 24. Oktober 1923 zu, als um 6 Uhr morgens, bezeichnenderweise fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter dem Schutz französischer Soldaten, die „Rheinische Republik“ durch örtliche Separatisten von der Treppe aus proklamiert wurde. Der Spuk war mangels Unterstützung durch die Bevölkerung bald vorbei.
Die Bedeutung, die der Bonner Markt vor der Kulisse des Rathauses und mit der Rathaustreppe als natürlicher Bühne einst hatte, ist heute fast in Vergessenheit geraten. So erklärte der SWR jüngst, de Gaulle habe seine Rede im Hofgarten gehalten. Und Bonn erinnert sich auch nur hin und wieder an die Möglichkeiten, die das Rathauspanorama bietet. Ein großes Fest, bei dem die Bühne das Alte Rathaus verdeckt, ist eine vertane Chance. Am meisten aus den Möglichkeiten machen heutzutage noch die Brautpaare, die sich an dieser historischen Stätte trauen lassen. Gerne nutzen Sie die Freitreppe für das Spalier ihrer Gäste und bewahren so etwas von dem Charme des Ortes. Dumm nur der Ladeverkehr, der die schönen Bilder immer öfter stört. Dieser Eindruck mag subjektiv sein.
Hier erfahrt ihr mehr über die deutsch-französischen Beziehungen und de Gaulles Besuch in Bonn.
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