von Helga Moser | Dez, 2024 | DE, Kunst, Veranstaltungen
100 Jahre Surrealismus: Ein Besuch der Alberto Giacometti Ausstellung im Max-Ernst-Museum in Brühl
Alberto Giacometti (1901-1966), der Schweizer Künstler und Bildhauer, ist den meisten bekannt, durch seine lang gestreckten, filigranen Figuren aus der Schaffensperiode nach 1945.
Giacomettis ‚boule suspendue‘ (Schwebende Kugel, 1930) ist im Entwurf als Bild und Skulptur zu sehen. Durch dieses wichtige Werk bekam er Zugang und Aufnahme in den Kreis der SurrealistInnen um André Breton. In seinem surrealen Werk spielen Gewalt und Tod, aber auch Körperlichkeit und der Einfluss des Zufalls sowie die Wahrnehmung des Unbewussten eine wesentliche Rolle.
Unverkennbar in der Ausstellung ist auch die stilistische Handschrift von Max Ernst. Beide arbeiteten in benachbarten Ateliers in Paris und lernten sich so 1929 kennen. 1935 lud Giacometti Max Ernst in seine schweizerische Heimat Maloja ein. Nicht nur die Freundschaft der Künstler, auch ihre Skulpturen sind Zeitzeugen ihres surrealistischen Schaffens.
Bis zum 15.1.2025 ist diese wunderbare Ausstellung mit ihren über 70 Werken noch zu sehen. Weitere Informationen findest du auf der Website des Museums.
von Gert Fischer | Dez, 2024 | Architektur, DE, Geschichte, Sehenswürdigkeiten
Die Freitreppe des Alten Rathauses hat bessere Tage gesehen. Ihre großen Auftritte sind rar geworden. Regelmäßig rückt sie nur noch am Karnevalssonntag in den Mittelpunkt, wenn die Karnevalisten zum Rathaussturm ansetzen. Dazu kommen seltene Ereignisse, in denen sie ihre frühere Bedeutung als große Bühne für kurze Zeit zurückgewinnt. So geschehen 2023, als die Telekom Baskets Bonn sich nach dem Gewinn der Champions League von ihren Fans auf ihr feiern lassen durften. Den Marktplatz füllen konnten die Jubelnden bei dieser Gelegenheit genauso wenig, wie die Jecken das am Karnevalssonntag schaffen. Da war Charles de Gaulle schon eine andere Nummer, als er sich am 5. September 1962 ins Goldene Buch der Stadt eintrug und danach unter Begeisterungsstürmen zusammen mit Konrad Adenauer auf die Freitreppe hinaustrat. Der Markt und der Bischofsplatz waren schwarz von Menschen, die bis weit hinein in die Sternstraße und die Wenzelgasse standen. Nach einer frei und auf Deutsch gehaltenen Rede schritt der damals akut attentatsgefährdete französische Staatspräsident zum Entsetzen seiner Sicherheitsleute die Treppe hinunter und nahm dann das, was wir heute ein Bad in der Menge nennen.
Vergleichbares hat die Rathaustreppe in Bonner Hauptstadtzeiten immer wieder erlebt. Von Theodor Heuss, der sich unmittelbar nach seiner Wahl zum ersten Bundespräsidenten von hier an das deutsche Volk wandte, über Kennedy 1963 und die Queen 1965 reicht die Liste bis hin zu Gorbatschow im Jahr 1989. Längst nicht alle Anlässe waren so spektakulär, und im Verlauf der Zeit zog auch Routine ein. Staatsbesuche waren, anders als noch in den sechziger Jahren, Alltag geworden. Trotzdem blieb die Rathaustreppe so etwas wie die Bühne der Bonner Republik. Der Grund war profan: Das Regierungsviertel lag abseits und es verfügte – Provisorium, das es war – über keine repräsentative Versammlungsfläche. Der Markt half aus.
Das gilt im übrigen auch für Demonstrationen. Bis in die achtziger Jahre hinein, als die Proteste gegen die Nachrüstung aufgrund ihres schieren Umfangs in den Hofgarten ausweichen mussten, war der Bonner Markt der wichtigste Demonstrationsort der Bundesrepublik Deutschland. Die Rathaustreppe spielte auch da manchmal eine Rolle – die vielleicht unrühmlichste am 10. April 1973, als Mitglieder der K-Gruppen im Schutz einer Studentendemonstration gegen den Besuch des südvietnamesischen Präsidenten in Deutschland das Rathaus stürmten – die Bedeutung dieser Begriffe für den Karneval mag ihnen nicht bewusst gewesen sein – und seine Einrichtung zu Klump schlugen. Danach ließen Sie sich, auf der Treppe stehend, von den Demonstranten feiern. Wir wohnten damals am Belderberg, und ich kann mich noch daran erinnern, wie die Demonstranten, im Sprunglauf untergehakt, vom Suttnerplatz kommend in die Rathausgasse einbogen und dabei den Namen Ho Chi Minhs skandierten. Der Rest ist Geschichte.
Revolutionär war es auf der Treppe schon viel früher: Am 20. März 1848 z.B. marschierte Gottfried Kinkel an der Spitze eines Zuges von Bürgern, Professoren und Studenten. Bewaffnet mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne bestieg er die Freitreppe des Rathauses und sprach, wie Carl Schurz es ausdrückte, mit „wundersamer Beredsamkeit“. Weniger lebhaft ging es am 24. Oktober 1923 zu, als um 6 Uhr morgens, bezeichnenderweise fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter dem Schutz französischer Soldaten, die „Rheinische Republik“ durch örtliche Separatisten von der Treppe aus proklamiert wurde. Der Spuk war mangels Unterstützung durch die Bevölkerung bald vorbei.
Die Bedeutung, die der Bonner Markt vor der Kulisse des Rathauses und mit der Rathaustreppe als natürlicher Bühne einst hatte, ist heute fast in Vergessenheit geraten. So erklärte der SWR jüngst, de Gaulle habe seine Rede im Hofgarten gehalten. Und Bonn erinnert sich auch nur hin und wieder an die Möglichkeiten, die das Rathauspanorama bietet. Ein großes Fest, bei dem die Bühne das Alte Rathaus verdeckt, ist eine vertane Chance. Am meisten aus den Möglichkeiten machen heutzutage noch die Brautpaare, die sich an dieser historischen Stätte trauen lassen. Gerne nutzen Sie die Freitreppe für das Spalier ihrer Gäste und bewahren so etwas von dem Charme des Ortes. Dumm nur der Ladeverkehr, der die schönen Bilder immer öfter stört. Dieser Eindruck mag subjektiv sein.
Hier erfahrt ihr mehr über die deutsch-französischen Beziehungen und de Gaulles Besuch in Bonn.
von Ursula Dillenburger-Brendt | Nov, 2024 | DE, Kulinarik, Sehenswürdigkeiten, Tradition
Wenn im tristen Monat November die Tage dunkler werden und feuchte Kälte die Stimmung trübt, dann gehe ich, bevor der Winterblues mich ereilt, auf den Weihnachtsmarkt. Rund um den Münsterplatz in Bonn sind Holzbuden aufgebaut und verbreiten eine heimelige Atmosphäre mit Weihnachtsdekoration und Lichterglanz. Es duftet verführerisch nach Glühwein, Zimt, gebrannten Mandeln und leckerem Essen, sodass unweigerlich der Stimmungspegel steigt.
Die Budenstadt zu Füßen des Bonner Münsters ist voller Gewimmel. Hier wirkt Enge heimelig. Ich fühle mich zurückversetzt in die Vergangenheit und stelle mir vor, wie unsere Bonner Vorfahren schon im ausgehenden Mittelalter auf diesen Platz kamen, um sich auf dem Markt für den kommenden Winter einzudecken, es sich bei Essen und Trinken gutgehen zu lassen und natürlich, um den neuesten Klatsch auszutauschen.
Das ist heute, mehr als ein halbes Jahrtausend später, nicht viel anders. In einem großen Teil der 160 Holzbuden zwischen Remigiusplatz, Münsterplatz und Friedensplatz kann man Schönes und Nützliches bis hin zu ausgefallener Handwerkskunst erstehen und so die benötigten Weihnachtsgeschenke für Familie und Freunde besorgen. Hier findet man Individuelles außerhalb der gängigen Warenhausangebote. Inspiriert durch die liebevoll dekorierten Auslagen entdeckt man Präsente, auf die man zuhause auf dem Sofa nicht kommen würde. Originelle Schmuckanhänger zum Beispiel oder doch gleich die handgestrickten Socken aus reiner Wolle für den Tochter, die immer kalte Füße hat? Und für die Freundin, die schon alles besitzt, geht ein bisschen neue Weihnachtsdeko doch immer!
Zwischendurch brauche ich eine Stärkung. Der Flammlachs, auf offenem Feuer zubereitet, duftet verführerisch, trotzdem kehre ich zurück zum rheinischen Klassiker, Reibekuchen mit Apfelkompott. Dazu weihnachtliche Klänge von allen Seiten. Das glückliche Kinderlachen aus Richtung des historischen Etagenkarussells erinnert mich an die lieben Kleinen aus der Familie. Für sie muss ich mich zwischen handgearbeitetem Holzspielzeug und einem niedlichen Perlgraupentier entscheiden. So langsam reicht die mitgebrachte Einkaufstasche nicht mehr. Aber auch dafür ist hier gesorgt. Wollte ich mir nicht schon seit langer Zeit so einen schönen Korb kaufen? Gedacht, getan – nun nur noch das handgeschöpfte Geschenkpapier besorgen und meine Weihnachtsmarktrunde war mehr als erfolgreich.
Darauf muss angestoßen werden! Entspannt Weihnachten entgegenblickend genehmige ich mir einen Eierpunsch, ein Getränk aus Weißwein, Eierlikör, Vanille und Zucker, heiß serviert und mit Schlagsahne garniert. Das klingt eigentlich furchterregend, ist aber überraschend lecker und jetzt genau das Richtige. Dass ich hier alleine stehe, macht überhaupt nichts. Nach kurzer Zeit, wir sind ja im Rheinland, schwärme ich mit meinem Nachbarn von der Vorweihnachtszeit in der Stadt Bonn.
Selbstverständlich ist das nicht mein einziger Weihnachtsmarktbesuch. Ich werde mich, wie so viele andere auch, verschiedentlich mit Freunden auf einen Glühwein treffen, Der versüßt uns dann das Schmuddelwetter – und sollte es tatsächlich bitterkalt sein, schmeckt er sowieso am besten.
Und dann gehe ich natürlich zum traditionellen Weihnachtsmarkttreffen der Bonn Greeters. Mit Austausch von Anekdoten und Informationen, einem Bummel durch die Budenstadt und Kostproben an verschiedenen Ständen machen wir uns kundig für eine Stadtbesichtigung mit unseren Gästen, der -Besuchern zufolge- zu den saisonalen Sehenswürdigkeiten in Bonn gehört.
Der Weihnachtsmarkt ist bis zum 22. Dezember von geöffnet, Verkaufsstände von 11 bis 21 Uhr, Imbiss-und Ausschankbuden sonntags bis donnerstags bis 21. 30 Uhr, freitags und samstags bis 22. 30 Uhr. Und für alle, die sich nicht so schnell vom heimeligen Setting trennen möchten, hat Bonn Tourismus in diesem Jahr erstmalig über die Vorweihnachtszeit hinaus einen Dreikönigsmarkt geplant. Er findet statt auf dem Remigiusplatz in der Zeit vom 27. Dezember bis einschließlich Montag, 6. Januar.
von Helga Moser | Nov, 2024 | Kulinarik, Tradition
Ingo Daniels, lädt seit vielen Jahren seine einstige Nachbarschaft aus dem Sonnenpütz in Bonn Kessenich zum jährlichen Kesselskuchen-Essen ein. Hier trifft Gastfreundschaft auf rheinische Kulinarik.
Traditionell wird diese rheinische Spezialität um St.Martin serviert. Die Gans war früher für die ärmere Bevölkerung zu teuer und somit kam das „Arme-Leute-Essen“, der Kesselskuchen auf den Tisch.
Das Gericht besteht aus:
~ Kartoffeln (mehlig kochend)
~ Zwiebeln
~ Eiern
~ Speck (gerne auch Mettwürstchen in Scheiben geschnitten)
~ Salz und Pfeffer.
Die Rezepturen sowie die Namen sind regional etwas unterschiedlich. So findet man Rezepte unter Döppekooche, Dippekuchen, Potthucke oder Kesselsknall. Um eine schöne Kruste zu bekommen, wird das Gericht in einem gusseisernen Topf (im Mittelalter im Kessel) zubereitet und brät 2-3 Stunden im Ofen bei 220ºC.
Ich, heute nur noch die einzige in Sonnenpütz Lebende, liefere das hausgemachte Apfelpüree,welches gerne dazu gereicht wird. Es besteht aus der alten Apfelsorte „Kaiser Wilhelm“ aus meinem Kessenicher Obst-Garten.
von Timo Stueck | Jan, 2024 | Architektur, DE, Geschichte
Cäsar, wie er da so sitzt auf dem Rheindeich in Schwarzrheindorf mit dem Rücken zum Rhein und mit Blick auf die Doppelkirche wurde 1989 anlässlich des 2000-jährigen Geburtstags dort aufgestellt. Grundlage hierfür lieferte der römische Historiker Florus, der als erster die Gründung des Römerlagers in Bonn erwähnt und dieses Ereignis auf das Jahr 11 v.Chr. datiert hatte. Auch einen Brückenschlag des römischen Heeres über den Rhein aus demselben Jahr vermutete man kurzerhand an eben derselben Stelle.
Es ist übrigens die letzte hochwassersichere Stelle auf rechtsrheinischem Ufer, bevor es nach Norden hin in die tiefer gelegenen Auen der Siegmündung geht.
Dieser Vorzug des Standorts mit seinem festen Ufer war also auch den Römern bereits aufgefallen und so hatten sie genau auf der gegenüberliegenden Seite ihr Lager angelegt.
Es war nicht nur genau einen ersten Tagesmarsch auf dem Rückweg nach Rom vom römischen Hauptort Colonia Claudia Ara Agrippinensium, also Köln, entfernt, sondern strategisch günstig gegenüber dem Ausgang des Siegtales gelegen.
Die Fährverbindung des Castrum Bonnensis mit dem anderen Ufer wurde schon bald ein bevorzugter Ort des Rheinübergangs, der auch erhalten blieb, als der Siedlungskern Bonns längst einen knappen Kilometer weiter südlich zu finden war. Hierbei waren auch die späteren Grenzen zwischen den neuen Territorien von Bedeutung. Bonn gehörte zum hauptsächlich linksrheinisch gelegenen Erzbistum Köln und war neben Neuss, Andernach und Ahrweiler einer seiner Hauptorte, wohingegen die Stadt Köln selbst nach der Schlacht von Worringen, 1288, nicht mehr dazu gehörte Das Gebiet des heutigen Beuels hatte dagegen schon immer zum rechtsrheinisch gelegenen Herzogtum Berg gehört, dennoch gab es auf der „schäl Sick“ einige verstreute Gebiete, die der kirchlichen Obrigkeit des Erzbistums unterstellt waren, wie zum Beispiel die Ortschaften Vilich mit dem Adelheidisstift, das zudem der ursprüngliche Siedlungskern des späteren Beuels war, sowie Schwarz-Rheindorf mit dem architektonischen Juwel der Doppelkirche.
Diese Kirche, 1151 geweiht, ist fast 100 Jahre älter als das Münster und gewiss eine Hauptattraktion mittelalterlicher Baukunst im Rheinland. Nur wie kommt es, dass so ein Hauptwerk nicht in einem städtischen Zentrum entstanden ist, sondern hier weit vor den Toren der Stadt auf dem Land? Das hat tatsächlich viel mit dem besagten Rheinübergang zu tun und besonders im frühen Mittelalter den noch sehr starken Machtinteressen der im Reichsverband sehr ambitioniert auftretenden Kölner Erzbischöfe. Als Kanzler des Reiches und Krönungsbischof des Kaisers hatten sie eine Position, der sie gern auch baulich entsprechend weithin sichtbare Zeichen setzten. Und auf dem Krönungsweg der Kaiser von Frankfurt, wo ihre Wahl stattfand, über Köln nach Aachen, wo ihre Salbung und Krönung erfolgte, markierte die Doppelkirche das Betreten des erzbischöflichen Territoriums, und das an markanter Stelle am Rheinufer eben an der bevorzugten Übergangsstelle.
Und es war nicht irgendein Bau, sondern eine besonders prachtvolle Rundkirche nach Vorbildern aus Byzanz und Ravenna, denselben Vorbildern, die schon vorher beim Bau des Aachener Doms richtungsweisend gewesen waren. Der oktogonale Zentralbau ist im Innern heute noch sofort in seiner geometrischen Klarheit zu erkennen. Das sich daran anschließende Längsschiff, ohne phantastische Freskenmalerei, an dessen Südseite sich auch der heutige Kircheneingang befindet, ist sehr viel jüngeren Datums und wurde erst über 400 Jahre später angebaut. Die Fresken im ursprünglichen Rundbau stammen dagegen aus dem 12. Jahrhundert. Es ist ein Zyklus zum alttestamentarischen Propheten Hesekiel (= Ezechiel), wobei die nahezu vollständig erhaltenen Wandmalereien in ihrer Art nördlich der Alpen einmalig sind. Sie verdanken ihr Vorhandensein dem Umstand, dass sie lange übermalt und vergessen waren und erst spät im 19. Jahrhundert wiederentdeckt wurden, als bei Renovierungen bereits nach denkmalschützerischen Gesichtspunkten vorgegangen wurde. In der napoleonischen Zeit nach der Säkularisierung war die Kirche gar ein Pferdestall gewesen, erst um 1840 ist sie wieder als Kirche geweiht und in den Dienst genommen worden.
Heute empfiehlt sich ein Besuch der Doppelkirche am Wochenende, weil dann sowohl draußen wie drinnen die oberen Galerien zugänglich sind und – jedenfalls auf Bonner Stadtgebiet – nirgends so wie hier eine Ahnung mittelalterlichen Lebens vor dem inneren Auge des Besuchers zu entstehen vermag. Da eine umfangreiche Renovierung der Kirche erst vor Kurzem abgeschlossen wurde, ist dies umso lohnender.
Auf dem Rheindeich liegt rechter Hand der alte jüdische Friedhof, der frei zugänglich ist. Männer bitte eine Kopfbedeckung nicht vergessen. Am Eingang gibt es inzwischen auch eine Infotafel. Bis etwa 1860 war dieser ohne jede Brückenverbindung wirklich sehr abgelegene Ort die einzige Begräbnisstätte der Bonner Juden, erst danach wurde der neue jüdische Friedhof auf der Bonner Seite an der Römerstraße eingerichtet.
Auch lohnende Ausflüge in die Siegmündung, zur Siegfähre und weiter bis zur Mondorfer Fähre sind von hier aus gut zu unternehmen.
von Frank Weindorf | Jan, 2024 | Berümte Bonner, DE
Bonner Adresse : Ubierstrasse 107
Mittwoch, 24. April 1974: morgens um halb sieben ist die Welt nicht mehr in Ordnung in der Ubierstraße 107 im Bonner Stadtteil Bad Godesberg.
Vor dem unscheinbaren zwei-stockigen Haus stehen trotz Halteverbots fünf Einsatzfahrzeuge der Polizei auf dem Bürgersteig. Offenbar soll der Verkehr auf dieser vielbefahrenen Durchgangsstraße nicht behindert werden. Zwei uniformierte Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag schauen drohend auf die wenigen Schaulustigen, die sich zu dieser frühen Stunde – mutmaßlich auf dem Weg zur Arbeit – auf der gegenüberliegenden Straßenseite versammelt haben.
Vier Beamte der „Sicherungsgruppe Bonn“ klingeln an der Wohnung im ersten Stock rechts und präsentieren den völlig überraschten Bewohnern einen Durchsuchungsbefehl. Das Ehepaar Christel und Günther Guillaume, beide 47 Jahre alt, wird vorläufig festgenommen. Verkatert von einer durchzechten Nacht mit Schulkameraden in der „Zwitscherstube“ in der Rheinallee, versteht der schlaftrunkene 17-jährige Sohn Pierre überhaupt nicht, was passiert.
„Ich bin Hauptmann der Nationalen Volksarmee und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren!“, soll der überraschte Guillaume den Fahndern, wohl eher aber in Richtung seines völlig ahnungslosen Sohns gesagt haben. Er wollte in dieser extremen Stresssituation gegenüber seinem Sohn offenbar zum Ausdruck bringen, dass seine Eltern keine Kriminellen, sondern „Kundschafter des Friedens“ für eine gerechte Sache seien.
So endete eine der erfolgreichsten Spionageoperationen der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im kalten Krieg und die Karriere des DDR-Agentenpaars Christel und Günther Guillaume. Die Enttarnung des Kanzleramtsmitarbeiters Günther Guillaume als DDR-Spion ging als der bis dato größte Politskandal der Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte ein.
Zwei Wochen später, am 07. Mai 1974, tritt Willy Brandt zurück. Er übernimmt die politische Verantwortung dafür, dass sich ein DDR-Agent in das Machtzentrum der Bundesrepublik einnisten konnte. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Guillaume-Affäre nicht der alleinige Grund für den Rücktritt war, zumal die von Guillaume in die DDR übermittelten Informationen offenbar nicht allzu sicherheitsrelevant waren.
Es gab da allerdings ein Dossier des Chefs des Bundeskriminalamtes, Horst Herold. In diesem Dokument waren die im Zuge der Ermittlungen gegen Guillaume protokollierten Aussagen der Sicherheitsbeamten von Brandt zu seinem Privatleben zusammengestellt. Dies beinhaltete auch Aussagen zu Brandts Alkoholkonsum und sexuellen Affären. Guillaume soll sogar derjenige gewesen sein, der Brandt „Frauen zugeführt“ habe.
Getarnt als konservativer Genosse aus dem ansonsten stramm linken SPD-Bezirk Hessen-Süd, hat sich der 1956 aus der DDR „geflohene“ Günter Guillaume bei den Sozialdemokraten nach oben gedient: Geschäftsführer der SPD im Frankfurter Stadtrat, Wahlkampfhelfer von Verkehrsminister Georg Leber.
Guillaume übersteht seltsamerweise alle Sicherheitsüberprüfungen, obwohl es schon 1957 Funksprüche der HVA an die Guillaumes vom BND entschlüsselt worden waren. Er wird 1970 auf Empfehlung Lebers Mitarbeiter im Kanzleramt, ab 1972 zu einem der drei persönlichen Referenten von Bundeskanzler Willy Brandt mit Zugang zu fast allen geheimen Informationen. Guillaume begleitet Brandt praktisch überall hin, geht sonntags mit ihm spazieren, fährt sogar 1973 mit der Kanzlerfamilie nach Norwegen in Urlaub.
Vor diesem Norwegenurlaub verdichten sich Hinweise, bei Guillaume könne es sich um einen „Perspektivagenten“ der DDR handeln, vor langer Zeit beauftragt, sich in der BRD eine verantwortungsvolle und informationsträchtige Stelle zu erobern. Der Kanzler wird von dem Verdacht informiert. Dingfest gemacht wird Günter Guillaume aber erst lange zehn Monate später. 1975 wird Günter Guillaume zu dreizehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, seine Frau zu acht Jahren. 1981 wird Guillaume in die DDR abgeschoben. Der Mann, der Willy Brandts Rücktritt auslöste, stirbt 1995 in Berlin.
Zwei Dinge bleiben nachzutragen:
- Zeitzeugen und Historiker sind sich einig, dass der eigentliche Skandal darin lag, dass BKA-Chef Herold und BND-Chef Nollau und deren Chef Innenminister Genscher den deutschen Bundeskanzler als „Lockvogel“ missbraucht haben
- „Ich bin Hauptmann der Nationalen Volksarmee und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren!“ Dieser Satz war der wesentlichste und gerichtsverwertbarste Aspekt, der gegen ihn sprach, da bis zu diesem Geständnis die Beweislage unglaublich dünn war. Ohne diese wahrscheinlich für seinen Sohn Pierre gedachte Rechtfertigung wären Günther und Christel Guillaume höchstwahrscheinlich mangels Beweisen freigesprochen worden.
Neueste Kommentare