Der Mai in Bonn ist kalt und grau –  Le Carrés „Eine  kleine Stadt in Deutschland“

Der Mai in Bonn ist kalt und grau – Le Carrés „Eine kleine Stadt in Deutschland“

Sieht man von den heute scheinbar unvermeidlichen Lokalkrimis und einigen autobiographisch geprägten Sonderfällen ab, kommt Bonn als Romanschauplatz kaum vor. Das gilt auch für seine Hauptstadtjahre. Von den wenigen Romanen, die die Politik der „Bonner Republik“ zum Thema haben, genügt allein Wolfgang Koeppens „Das Treibhaus“ als Schlüsselroman der jungen Bundesrepublik höchsten literarischen Ansprüchen. Außerhalb Deutschlands ist er leider kaum bekannt.

Damit hat Bonn in der Weltliteratur nur ein einziges Eckchen. Geschaffen hat es ihm John Le Carré (eigentlich David John Moore Cornwell, 1931-2020) in seinem 1968 erschienenen Roman „A Small Town in Germany“ (dt. „Eine kleine Stadt in Deutschland“). Der Autor des „Spions, der aus der Kälte kam“ und literarische Vater von George Smiley wird in Deutschland meist der Trivialliteratur zugeordnet. Im englischen Sprachraum gilt er, zu Recht, als einer der bedeutendsten Autoren der jüngeren Vergangenheit.

„A Small Town in Germany“ gehört zu den weniger bekannten Büchern Le Carrés. Das mag daran liegen, dass es  – anders als die meisten seiner Werke der sechziger und siebziger Jahre – nicht um das Thema des Kalten Krieges kreist und ohne den Anti-Bond George Smiley auskommt. Die Handlung ist vielmehr in die Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland eingebettet und damit einem internationalen Publikum weniger zugänglich als der weltumspannende Ost-West-Konflikt. Sie spielt ausschließlich in Bonn und seiner näheren Umgebung. Dabei greift Le Carré auf Erfahrungen zurück, die er selbst gemacht hat. Von 1961 bis 1963 war er – damals noch nicht ausschließlich Schriftsteller – vom britischen Auslandsgeheimdienst in Deutschland stationiert; zeitweise under cover als Zweiter Sekretär in der britischen Botschaft in Bonn.

Die Handlung spielt, wie Le Carré einmal an anderer Stelle bemerkt hat, vom Erscheinungsjahr des Buches aus gesehen in einer „nahen Zukunft“ – schaut man genau hin: im Mai 1970. Das politische Panorama, das den Hintergrund bildet, ist düster. Le Carré setzt es aus Elementen zusammen, die die Innenpolitik der Bundesrepublik in den sechziger Jahren mit geprägt haben, fügt Erfundenes und Zugespitztes bei und lässt eine unschöne Dystopie entstehen: Nach wie vor regiert die Große Koalition. Die oppositionelle FDP ist von zwielichtigen Gestalten mit Wurzeln in der NS-Zeit unterwandert. Es besteht eine mächtige politische Allianz zwischen der Studentenbewegung und einem, heute würden wir sagen, Rechtspopulisten. Ziel ihres Hasses ist Großbritannien. Im Bundestag wird immer noch über die Notstandsgesetze debattiert, eine Amnestie für Nazi-Verbrecher tritt in Kraft, und in Brüssel laufen die Beitrittsverhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien schlecht. Das Land steht am Rande großer Unruhen.

In dieser Lage kommt ein Troubleshooter aus London nach Bonn. Dort ist ein nachgeordneter Mitarbeiter der Botschaft verschwunden, anscheinend untergetaucht. Spionageverdacht steht im Raum. Alan Turner soll die Sache aufklären. Während einiger Wochen im Mai durchleuchtet er die Abläufe in der Botschaft, deckt die z.T. schmutzigen Geheimnisse des Personals auf und kommt dem Gesuchten, seinem Charakter und seinen Motiven immer näher. Dieser Gesuchte ist, wenn man so will, der eigentliche Protagonist des Romans. Dennoch begegnet er dem Leser so gut wie nicht – nur je einmal kurz am Anfang und am Ende des Buches. So viel sei verraten: Es geht überhaupt nicht gut aus.

Le Carrés Bild von Bonn ist genauso düster wie die Handlung. Es beginnt mit dem Wetter – obwohl Mai, ist es durchgängig diesig und feucht. Wärme will nicht aufkommen, und vieles spielt in der Nacht. Le Carré nimmt eine Atmosphäre vorweg, wie sie später J.K. Rowlings Dementoren verbreiten werden. Die Stadt ist eng und kleinkariert – genauso wie die Republik, die sie geboren hat. Dieses Bild ist zusätzlich mit all jenen Vorurteilen dekoriert, die dem Bonner Lokalpatrioten immer schon weh getan haben: Es regnet, oder die Schranken sind zu; das Nachtleben findet in Köln statt; Bonn wurde Hauptstadt, weil Adenauer das wollte; es ist Wartesaal für Berlin usw.. Das zwinkernde Auge, mit dem diese Sprüche in Bonn gerne begleitet wurden, fehlt völlig. Der Autor meint es bitter ernst. Dazu erfindet er noch eigene Gemeinheiten. So sind in Bonn sogar die Fliegen verbeamtet.

Eingewoben in diese Buchkulisse sind viele detailgenaue Beschreibungen. Sie reichen von Universität und Bahnhof über das Rathaus und die (2004 der Telekom geopferte) britische Botschaft  bis hin zu den Diplomatensiedlungen in Plittersdorf und Bad Godesberg. Der Protagonist wohnt am Hang des Petersberges, und die Verkehrsprobleme werden genau beobachtet. Wer den Roman unter diesem Aspekt liest, mag verfolgen, wie Le Carré die Stadtgeographie und auch einzelne Gebäude so verändert, dass sie den Notwendigkeiten der Romanhandlung angepasst werden. Und natürlich beschreibt er die Gebäude und Strukturen, wie er sie aus den frühen sechziger Jahren in Erinnerung hat. Sie entsprechen dem Bonn des Jahres 1970 nicht mehr; und schon garnicht dem unserer Tage. Eine solche Spurensuche macht Spaß!

Warum Bonn bei seinem einzigen Auftritt in der Weltliteratur so negativ daherkommt, muss offen bleiben. Das mag damit zu tun haben, dass Le Carré schlechte Erinnerungen an seine Bonner Zeit hatte. Und natürlich ist es auch dem düsteren Sujet geschuldet. Tröstend mag sein, dass er in seinen Büchern eigentlich alle Schauplätze von ihrer hässlichen Seite zeigt. Und vielleicht steckt  ja auch ein winziges Körnchen Wahrheit in seinem Bonn.

Versteckt am Rheinufer

Versteckt am Rheinufer

Wer auf der Bonner Rheinpromenade spazieren geht, der hat die Augen meist auf den Fluss und die Sehenswürdigkeiten am Horizont gerichtet: auf Siebengebirge, Regierungsviertel oder die Schwarzrheindorfer Doppelkirche zum Beispiel. Dabei lohnt bei der Anlegestelle der „Köln-Düsseldorfer“ ein Blick nach rechts. Am unteren Ende der Vogtsgasse liegt hier im Schatten der Stützmauer des historischen Seminars ein kleiner Bildstock. Er erinnert an die Gertrudiskapelle, die wenige Meter entfernt gestanden hat und die heute fast in Vergessenheit geraten ist. Sie wurde wie die gesamte Bonner Altstadt durch den Luftangriff vom 18. Oktober 1944 zerstört. Was von ihr übrig war, versank -buchstäblich- in den Trümmern. Denn die Schuttberge der Innenstadt wurden kurz nach dem Krieg dafür verwendet, den Bereich zwischen Belderberg und Rheinufer um mehrere Meter aufzuschütten. Auf dem, was früher einmal das „Rheinviertel“ war, entstanden uncharmante Neubauten der Fünfzigerjahre.

Gewidmet war die Kapelle der Heiligen Gertrud von Nivelles, die in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts gelebt hat. Als Schutzheilige verfügte sie über ein sehr breites Portfolio. Angerufen wurde sie gegen Ratten- und Mäuseplagen (daher auch die Mäuse als ihr Attribut), sie galt als Beschützerin von Reisenden, Pilgern und Schiffern, der Gärtner, der Spinnerinnen und sogar der Katzen. Außerdem wird ihr historisch belegtes Engagement in der Krankenpflege und für die Bildung von Mädchen und Frauen bis heute erinnert.

Diese vielfältigen Anknüpfungspunkte dürften es gewesen sein, die eine eher unwahrscheinliche Koalition zusammengeführt haben: Der „Schiffer-Verein Beuel 1862“, das Bonner Frauenmuseum und der Bonner Travestiekünstler Curt  Delander haben gemeinsam dafür gesorgt, dass der Bildstock zur Erinnerung an die Kapelle entstand. Aufgemauert wurde er aus Ziegeln der untergegangenen Altstadt und aus Steinen der von deutschen Bomben zerstörten Stiftskirche Sankt Gertrud in Nivelles (Belgien). Damit ist er zusätzlich ein kleines Mahnmal für den Frieden, und er erinnert auch daran, dass versöhnte Feinde im Mittelalter die „St.-Gertruden-Minne“ tranken.

GertrudiskapelleDas 1944 zerstörte Gebäude war kein architektonisches Kleinod und hatte auch keine große sakrale Bedeutung mehr. Es war ein einfacher einschiffiger Saalbau aus dem 15. Jahrhundert mit bescheidener Ausstattung. Ursprünglich lag er unmittelbar hinter der Stadtmauer neben der „Gierpforte“, deren Namen sich aus „Gertrud“ ableiten lässt. Einen freien Blick auf den Rhein gab es auch nach Abriss der Mauer im 19. Jahrhundert nicht. Ein Hotelbau zwischen Ufer und Kapelle sorgte dafür, dass die Hinterhofsituation erhalten blieb. Die Pfarrkirche des Viertels war St. Remigius auf dem heutigen Remigiusplatz, die Gertrudiskapelle nur noch Filiale. Ihre Hauptnutzer waren lange die örtlichen Schiffer und ihre Bruderschaft. Dieses Aschenputteldasein mag erklären, warum sich gegen den Abbruch des Kirchleins kaum Widerspruch erhob.

Trotz ihres wenig ansehnliche Äußeren und ihrer zu diesem Zeitpunkt geringen Bedeutung galt die Gertrudiskapelle in der mündlichen Überlieferung des 19. Jahrhunderts als die nach dem Münster „vornehmste“ Kirche Bonns. Diese Aussage wollte schon damals nicht zu dem passen, was man über ihre Geschichte wusste: Ersterwähnung 1258, kleine Klause von Zisterzienserinnen, später vorläufiger Standort der Kapuziner und der Franziskaner-Rekollekten – jeweils ehe sie ihre großzügigen Kloster-Neubauten bezogen. Wieviel Wahrheit in mündlicher Überlieferung stecken kann, brachte 2010/11 eine archäologische Grabung mit sensationellen Ergebnissen ans Licht. Sie fand die Überreste von zwei Vorgängerbauten – der früheste aus dem 8. Jahrhundert und damit karolingisch und in etwa so alt wie die beiden ältesten innerstädtischen Pfarrkirchen St. Remigius und St. Martin. Sehr wahrscheinlich war schon diese erste Kapelle der Heiligen Gertrud gewidmet. Das lässt sich daraus ableiten, dass der Name genau wie Remigius und Martin in karolingischer Zeit für Kirchen oft Verwendung findet – kein Wunder, war die historische Gertrud doch eine der Vorzeigepersönlichkeiten aus der Ahnenreihe Karls des Großen.

Ob diese erste Gertrudiskapelle als Pfarrkirche entstanden ist, oder ob sie einen anderen Ursprung hat, wissen wir nicht. Jedenfalls muss sie bis Mitte des zwölften Jahrhunderts der geistliche Mittelpunkt eine recht ausgedehnten und auch archäologisch belegten Siedlung entlang des Rheins gewesen sein. Diese verlor im Verlauf des Mittelalters stark an Bedeutung und mit ihr die Kirche der Heiligen Gertrud. Heute ist der kleine Bildstock an der Vogtsgasse die letzte Brücke in diese Zeit.

Man kann sich Bonn ohne die Kirschblüte schon gar nicht mehr vorstellen!

Man kann sich Bonn ohne die Kirschblüte schon gar nicht mehr vorstellen!

In einer ersten Phase blühen die weißblütigen Kirschen wie z.B. die Pflaumenkirsche in der Wolfstraße, Franzstraße oder auch in der Rheinaue. Danach dauert es noch ca. 14 Tage bis die dicken rosablütigen japanischen Blütenkirschen (vor allem in der Breite Straße und in der Heerstraße) das Auge erfreuen.

Wie kam Bonn überhaupt zu diesen herrlichen Kirschen? In den 80er Jahren wurde die Altstadt (die eigentlich die Nordstadt ist und nur aus touristischen Gründen in „Altstadt“ umbenannt wurde) saniert. Der Verkehr wurde beruhigt und als Farbtupfer waren japanische Kirschen geplant. Die Kirschbäume bekam Bonn von der japanischen Regierung geschenkt und die Stadtplanerin Brigitte Denkel sorgte dafür, dass diese eingepflanzt wurden. Die Kirschblüten symbolisieren also die Freundschaft zwischen Japan und Deutschland.

In vielen Kulturen haben Kirschblüten eine besondere symbolische Bedeutung, insbesondere in Japan, wo sie als Symbol für Schönheit, Vergänglichkeit und Neuanfang gelten.

An den Wochenenden gibt es auch einen Flohmarkt, Designmarkt und Food Market und dann sind an einem Wochenende schon mal Zehntausende von Leuten unterwegs. Alle Geschäfte, Cafés und Kneipen in der Umgebung habe sich auf den Ansturm eingestellt. Wer es ruhiger mag, kommt unter der Woche, morgens oder abends und auch Nachtfotos von der Kirschblüte sind sehr sehenswert.

Wer sich nicht in den Trubel stürzen will findet japanische Kirschen z.B. in Beuel in der Professor-Neu-Allee oder in der Rheinaue.

Mein persönlicher Kirschblütenlieblingsort ist eine kleine Allee in der Rheinaue in der Nähe des japanischen Gartens:  Diese Kirschbäume wurden von einem japanischen Chor gestiftet, der jedes Jahr mit ca. 5000 Sängern Beethovens „Ode an die Freude“ aufführt. Die Kirschallee ist ein Geschenk zu Ehren der Geburtsstadt Beethovens. Beethoven wird in Japan genauso verehrt wie die Kirschblüte.Aber das ist noch eine andere Geschichte…

Ein Märchenschloss in Bonn Ramersdorf

Ein Märchenschloss in Bonn Ramersdorf

Von der Terrasse des Schlosses aus hat man einen Ausblick bis zum Kölner Dom und natürlich über Bonn. Der Anblick bei strahlend blauem Himmel ist märchenhaft. Glücklicherweise konnte eine Bürgerinitiative das Schloss in den 1970er Jahren vor dem Abriss zugunsten eines Autobahnkreuzes retten.
Eine wechselvolle Geschichte hat das Schloss seit der Erbauung als Deutschordenskommende im 13. Jahrhundert im Zusammenhang mit den Kreuzzügen. Bis zur Säkularisierung 1803 war es wirtschaftlicher Stützpunkt des Deutschen Ritterordens und danach Sitz mehrerer Adelsfamilien. Die heutige so bemerkenswerte  Architektur entstand nach einem großen Brand beim Wiederaufbau 1842 im vorwiegend neugotischen Stil.
Unter den zahlreichen Besitzern ist die zunächst jugendliche Bewohnerin Freifrau von Francq (Stieftochter des damaligen Besitzers Fürst Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck) besonders zu erwähnen. Sie bewohnte das Schloss 1861-1881 und prägte das inzwischen herausgeputzte Schloss mit dem Anbau im englischen Stil – damals die Räumlichkeiten für Damen  –  und dem Ausbau des weitläufigen Ennert Parks u.a. mit exotischen Bäumen. Auch eine damals ungewöhnlich moderne Ausstattung wie eine Art Toilette im Obergeschoss veranlasste sie.

Ein weiterer Besitzer, Albert Moritz Freiherr von Oppenheim, hat ebenso deutliche Spuren hinterlassen. Als Bankier und Kunstsammler geht der Innenausbau des Schlosses – besonders deutlich im Treppenhaus und im heutigen Restaurant – auf ihn zurück.  Dieses Erbe – Wandvertäfelungen, Deckenfassungen im Stil des Historismus – wurde nach der Nutzung verschiedener Institutionen nach dem 2. Weltkrieg ab 1978 von neuen Besitzern nach und nach restauriert, sodass ein außergewöhnliches Hotel und Restaurant entstanden ist und im laufenden Betrieb weitere Zimmer im Obergeschoss restauriert werden können. Man ist heute stolz darauf, dass Tina Turner gerne einige Zeit fern vom Kölner Trubel in einer Suite im weißen Turm wohnte und heute andere Prominente, Scheichs mit ihren Familien oder Gäste aus Wirtschaft und Politik hier nächtigen.

Seit 2017 betreibt ein Kölner Gastronom sowie eine Investitionsgesellschaft das außergewöhnliche Restaurant, Hotel und die Remise für Veranstaltungen. Sogar Standesamtliche Hochzeiten sind hier im Schlosshotel Kommende Ramersdorf möglich. Jederzeit schön für einen Ausflug!
Bonns oft vergessener Friedhof

Bonns oft vergessener Friedhof

Mit dem Alten Friedhof in der Innenstadt, dem Bad Godesberger Burgfriedhof und dem Poppelsdorfer Friedhof verfügt Bonn über drei aufgrund ihrer Bedeutung, ihres Ambientes oder ihrer Lage herausragende Begräbnisstätten. Nimmt man die noch erhaltenen und historisch weiter zurückreichenden dörflichen Kirchhöfe in einigen Stadtteilen dazu, so ist die Bonner Friedhofslandschaft fast schon eine Reise wert. Dieses historische Erbe überschattet die moderneren Anlagen.

Foto: A. Savin

Foto: A. Savin

So ist Bonns mit Abstand größter Friedhof, der Nordfriedhof an der Kölnstraße im heutigen Ortsteil Auerberg, vielleicht das Aschenputtel. 1884 als offizieller Nachfolger für den nicht mehr erweiterbaren Alten Friedhof eröffnet, hatte er schon einen denkbar schlechten Start. Das war vor allem dem Ort geschuldet. Mehr als drei Kilometer von der Bonner Innenstadt entfernt, lag er jenseits der Ringe am damals äußersten nördlichen Stadtrand. Einen Bahnanschluss erhielt er erst 1906, als die Rheinuferbahn ihren Betrieb aufnahm. In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens lag er im freien Feld. Auf dem Weg dorthin passierte man die vor sich hin kokelnde Müllkippe im Bereich des heutigen Sportparks Nord, die Rheinische Provinzial-Irrenanstalt (heute LVR-Klinik Bonn), das Städtische Hilfshospital für Geisteskranke, Epileptiker und Trunksüchtige und das von der Bonner Armenverwaltung betriebene Waisenhaus und Erziehungsheim, das sich in Nachbarschaft zum neuen Friedhof an der Stelle des ehemaligen Leprosenhauses (Isolierstätte für ansteckende Kranke) befand. Und den Zeitgenossen war auch sicherlich noch bewusst, dass die Friedhofsfläche die frühere Richtstätte mit dem Galgen und den Schindanger, auf dem nicht mehr verwertbare Tierkörper entsorgt worden waren, umfasste. Es überrascht daher nicht, dass die damals so genannten „besseren Kreise“ sich woanders um Grabstätten bemühten. Nach 1905 wurde das auch offiziell möglich. Wer „westlich der Eisenbahn“ wohnte, konnte sich auf dem Friedhof des jüngst eingemeindeten Poppelsdorf bestatten lassen. Von dieser Möglichkeit machten die Bewohner der Süd- und der Weststadt reichlich Gebrauch. Der Nordfriedhof wurde so zum Friedhof für die Innenstadt und die Nordstadt. Entsprechend sind die Namen der hier bestatteten lokalgeschichtlich bedeutsamen Familien mit diesem Teil der Stadt verknüpft. Die Grablegen der Professoren und reichen Rentiers entstanden wie auch die vieler Bonner Honoratioren vor allem auf dem Poppelsdorfer Friedhof.

Dennoch hat der Nordfriedhof schrittweise seinen Platz in der Bonner Friedhofslandschaft gewonnen. Als Parkanlage vorbildlich gestaltet und seit 1913 auch mit einer fast kirchengroßen „Kapelle“ versehen, veränderte er sich zum Positiven. Seine dreimalige Erweiterung belegt, dass er dann doch zum Friedhof für Viele geworden ist. Das hat auch der teilweise rücksichtslose Umgang mit seiner historischen Substanz nicht verhindern können. So wurden in den 1960er Jahren bei der Verbreiterung des Hauptzugangs Grabmäler reihenweise abgeräumt, und auch das neoromanische Tor wurde abgebrochen. Im Resultat ist heute die Liste der unter Denkmalschutz stehenden bzw. „erhaltenswerten“ Grabmonumente im Vergleich zur Größe des Friedhofs kurz.

Ein besonderes Kapitel stellt der Charakter des Nordfriedhofs als Ehrenfriedhof dar. Die Anfänge dieser Entwicklung liegen im Ersten Weltkrieg. Heute sind hier nicht nur die deutschen Gefallenen und Bombentoten zweier Weltkriege begraben, sondern auch zahlreiche Zwangs- und Fremdarbeiter sowie Kriegsgefangene. Zunächst ein Ort lokalen Gedenkens, wurden Kriegsgräberstätte und Ehrenfriedhof 1980 zur zentralen „Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Kriegsopfer und die Opfer der Gewaltherrschaft“ (heute in Berlin in der Neuen Wache). Damals wurde die von Hans Schwippert – bekannt als Architekt der Umbauten der Pädagogischen Akademie zum Bundeshaus und des Palais Schaumburg zum Bundeskanzleramt – für diesen Zweck entworfene Bronzeplatte aus dem Hofgarten in den Nordfriedhof übertragen. Zu den peinlicheren Kapiteln der Bonner Stadtgeschichte gehört, dass sie 2017  gestohlen und durch eine Kopie in Sandstein ersetzt wurde.

Als relativ moderner Friedhof war der Nordfriedhof nicht katholisch konsekriert und auch nicht an historische Strukturen gebunden. Daher spiegelt er besser als viele ältere und durch den Denkmalschutz auf einen früheren Zustand festgelegte Anlagen die Entwicklungen, die das Bestattungswesen in der jüngeren Vergangenheit geprägt haben. So ist beispielsweise ein jesidischer Friedhof integriert. Es gibt Gräber, in denen nach griechisch-orthodoxem oder russisch-orthodoxem Ritus bestattet wurde, sowie einen Bereich für im Mutterleib oder bei der Geburt verstorbene Kinder. Und schon seit 1990 verfügt er über ein islamisches Gräberfeld.

Ein Spaziergang über den Nordfriedhof ist daher nicht ganz so interessant, wenn man sich für Kunst, historisch bedeutsame Grabstätten und berühmte Namen interessiert. Vielmehr ist er eine großzügig angelegte Parkanlage, der die Sozialstruktur der Bonner Innenstadt und des Bonner Nordens spiegelt. Dabei sind spannende Entdeckungen nicht ausgeschlossen. So findet man beispielsweise drei Gräber von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Sikh, die mit den britischen Besatzungstruppen nach dem ersten Weltkrieg nach Bonn gekommen waren. Oder auch das Grab des im Namen der islamischen Revolution im Iran 1992 in Bonn ermordeten Sängers und Entertainers Fereydun Farrochsad.

Darüberhinaus ist der Nordfriedhof von ökologischem Interesse. Er verfügt über bemerkenswerte Bäume und aufgrund seiner Größe über einen artenreichen Tier- und Pflanzenbestand. Die Stadt Bonn nutzt ihn mit Unterstützung des Rotary Clubs als Experimentierbereich für „Zukunftsbäume“ – als „Klimahain“.

Man würde sich wünschen, dass die inzwischen seit zwei Jahren andauernden Restaurierungsarbeiten an der Friedhofskapelle endlich abgeschlossen würden. Bis dahin finden die Trauerfeiern in einem unwürdigen Plastikzelt statt. Der Nordfriedhof ist dennoch einen Besuch wert!

Marathon in Bonn

Marathon in Bonn

1986 bin ich nach Bonn gezogen. Kurz danach lernte ich bei einem Seminar Helmut Thillmann kennen, der den Frühsport organisierte und uns beim Joggen zeigte, wie locker er schnell und lang laufen kann. Was er uns nicht ezählt hatte: er hat am 29. Januar 1986 zusammen mit Karl Lennartz, Axel Bosse, Hansjürgen Melzer, Thomas Greiser und Wolf-Dirk von Berchem den „Marathon Bonn e.V.“ mit Sitz in der Koblenzer Straße 26 in Bad Godesberg gegründet (Quelle: GA vom 5.4.2016).
Und für die Planung und Organisation war viel Zeit nötig. Drei Jahre später – zum Stadtjubiläum „2000 Jahre Bonn“ fand am 10. Juni 1989 in der damaligen Bundeshauptstadt der erste Marathon statt.
Straßensperrungen für einen Marathonlauf waren neu für Bonn. Argumente aus der Verwaltung dagegen lauteten z.B. „Die Läufer sollten an roten Ampeln stehen bleiben“ (Quelle: GA vom 11.06.2024)
Der Termin im Sommer wurde gewählt, da dies traditionell eine marathonarme Zeit ist. Zudem schlossen die Geschäfte samstags in den 1980er Jahren um 14 Uhr, und die meisten Arbeitnehmer hatten frei.
Beim ersten Marathon in Bonn finishten 2443 Läufer, darunter 156 Läuferinnen. Das Zeitlimit lag bei fünf Stunden. Heutzutage kaum vorstellbar, dass damals 375 Männer und 10 Frauen unter der magischen Drei-Stunden-Marke blieben. 1969 Athleten schafften die Strecke in einer Zeit von unter vier Stunden. (Quelle: a.a.O),
Schon 5.Juni 1993 zog sich nach dem fünften Marathon der Sponsor zurück. Damaliger O-Ton: „Für das Geld bekommen wir beim 1. FC Köln auch eine Saison-Werbebande.“ (Quelle: a.a.O.) Erst 2001 wurde der Marathon wieder dauerhaft ins Leben gerufen. Seit 2005 wird auch der Halbmarathon angeboten.
Stefan bein laufen am Marathon in BonnIn 2005 beginne ich als ehemaliger Judoka mit dem Laufen. Der Beginn ist mühsam – und es dauert bis zum Sommer 2006, dass ich erstmalig die so genannte kleine Brückenrunde (Kennedy- und Südbrücke) mit 10 km schaffe. Genau da kommt eine Verlosung meines Arbeitgebers: bis zu 25 Startplätze inkl Vorbereitungstraining. Was soll schon passieren? Schlimmstenfalls gewinne ich!
Was ich nicht ahnte: jeder, der teilnimmt, gewinnt! Denn die Erfahrung zeigt, dass nur wenige vom Trainingsbeginn bis zum Start im April durchhalten. Zu den Trainings zweimal pro Woche ab Firmentor kommen sonntags Läufe ab Kloster Heisterbach. Und bei den Trainern ist auch Helmut Tillmann dabei!
Während der Lauftrainingsphase kam im Januar 2007 der Sturm Kyril: der Sonntagslauf wurde durch die vielen nötigen Umwege deutlich länger als üblich: 28km. Kommentar des Trainers: alle, die noch auf Halbmarathon gemeldet sind, melde ich auf Marathon um.
Und so laufe ich – ohne jemals an einem Halbmarathon teilgenommen zu haben – am 22.04.2007 meinen ersten Marathon. Die Runde führte zum letzten Mal auch durch Godesberg, Rüngsdorf, Friesdorf, Poppelsdorf vorbei am Sportpark Nord zur Josefshöhe und dann zum Marktplatz.
Heute wird beim Marathon die Halbmarathonstrecke zweimal durchlaufen: Start in der Nähe der Oper über die Kennedybrücke und dann gen Süden bis zur Südbrücke und parallel zum Rhein wieder Richtung Kennedybrücke. An der Brückenrampe spielt zur Unterstützung der Läufer eine Sambaband, die den Laufrythmus aufnimmt. Eine große Schleife um die Beethovenhalle und dann an der Rheinpromenade (hier spendiert der Bonner Ruderclub den Läufern Kölsch) zur Rheinaue bis zum Forschungsinstitut Caesar.
Früher liefen die Marathonläufer hier geradeaus weiter, heute drehen hier alle Läufer und laufen über die Konrad-Adenauer-Allee bis zum Hofgarten. Diese Strecke ist oft fast ohne Publikum. Ab Hofgarten wird über Münster- und Bottlerplatz zum Marktplatz ins Ziel gelaufen.
Auf den letzten zwei km wird man vom Publikum ins Ziel (oder in die zweite Runde) getragen. Eine Superstimmung rechts und links der Laufstrecke.
Während die Anmeldungen beim Marathon kaum wachsen, steigen die Anmeldungen zum Halbmarathon immer weiter. 2025 werden 10.000 Läufer beim Halbmarathon starten.
Nachdem ich neben mehrmals in Bonn auch den Marathon in Istanbul, Florenz, von Nizza nach Cannes, am Gardasee gelaufen habe, habe ich 2019 in Tel Aviv meinen 15.Marathon abgeschlossen.
Durch Corona entstand eine längere Laufpause – und ohne Ziel habe ich auch das Training drastisch reduziert. Nun bin ich in 2025 wieder in Bonn zum Halbmarathon angemeldet. Wer sich genauer zur Laufstrecke und den einzelnen Wettbewerbe (auch für Inliner, Handbike oder Staffeln) informieren will, folgt dem Link zum Veranstalter: Deutsche Post Marathon Bonn