‚Too Beautiful‘: Eine Ausstellung im Siebengebirgsmuseum Königswinter

‚Too Beautiful‘: Eine Ausstellung im Siebengebirgsmuseum Königswinter

2024 wäre Lord Byron 200 Jahre alt geworden. Dieses Datum hat das Siebengebirgsmuseum Königswinter zum Anlass für eine Ausstellung genommen. Unter dem Titel  „Too Beautiful – Der englische Blick auf den Rhein“ werden Anfänge und Blütezeit des britischen Rhein-Tourismus im 19. Jahrhundert illustriert (noch bis zum 9. März 2025). Die Bedeutung, die Byron in diesem Zusammenhang hatte, ist kaum zu überschätzen. Skandalumwitterter Influencer und Popstar – in einer Zeit, in der man diese Begriffe noch nicht kannte – prägte er mit seinem Verhalten und seinem literarischen Werk viele Intellektuelle und manche Mitglieder der englischen Oberschicht. Seine Dichtung „Childe Harold“, die unter anderem die Erfahrungen seiner Rheinreise des Jahres 1816 verarbeitet, propagierte das „romantische“ Mittelrheintal und nicht zuletzt den Drachenfels als attraktive Reiseziele. Hinzu kam, dass mit dem Ende der napoleonischen Kriege das Reisen auf dem Kontinent für die Engländer nach 20-jähriger Unterbrechung wieder möglich war. Das Rheintal – bei der „Grand Tour“ der Adligen des 18. Jahrhunderts eher nur Zwischenstation auf dem Weg nach Italien – bekam nun eine eigene touristische Bedeutung. Aus vereinzelten Reisen reicher Müßiggänger und neugieriger Künstler wurde eine Welle, die bald auch viele wohlhabendere Bürgerfamilien nach Bonn, ins Siebengebirge, an die Loreley und zu den Burgruinen des Mittelrheintals brachte – seit 1828 auch mit dem Dampfschiff.

Die kleine, aber feine Ausstellung des Siebengebirgsmuseums hat ihren Schwerpunkt bei den Ansichten, mit denen britische Künstler – mit William Turner und Clarkson Stanfield an der Spitze – die modische Rheinbegeisterung befeuerten. Dazu kommen Karikaturen, die sich über die Auswüchse der sich zu einem Massenphänomen entwickelnden Rheinreisen lustig machen. Offensichtlich gab es in den Augen der Zeitgenossen schon damals so etwas wie „Overtourism“. Spannend ist auch zu sehen, dass die meisten Ansichten weniger das Werk künstlerischer Selbstverwirklichung als vielmehr Auftragsarbeiten für Verleger waren. Mit ihnen ließ sich Geld verdienen – auch bei denen, die nicht die Zeit und die Mittel hatten, an den Rhein zu reisen. Mittelalterbegeisterung und Ruinenromantik konnten auch so bedient werden.

Die zur Ausstellung gehörende Publikation ist weniger ein Katalog als vielmehr ein Begleitbuch. In 22 kleineren Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren werden britische Rheinreisende und Künstler vorgestellt und ihren Sehnsuchtsorten zugeordnet. Dazu entsteht ein Bild der sich entwickelnden touristischen Infrastruktur und der Reisegewohnheiten. Schließlich wird auch deutlich, wie der ,Promi-Faktor‘ den Rhein Gespräch hielt. So ist ein Beitrag der Rheinreise von Queen Victoria gewidmet – der Titel der Ausstellung ist ein Zitat aus ihrem Reisetagebuch – und ein anderer dem Aufenthalt des englischen Kronprinzen in Königswinter im Jahr 1857; theoretisch inkognito, in der Realität eine öffentliche Sensation ersten Ranges.

Auch wenn Bonn nicht im Mittelpunkt der Ausstellung stehen kann, so wird seine Rolle doch klar genug. Nachdem die frühen Rheinreisenden im Allgemeinen Köln zum Ausgangspunkt nahmen, änderte sich das spätestens seit den 1840er Jahren. Damals bekam Bonn seinen eigenen Eisenbahnanschluss. Außerdem bescherten die Berichte von Reisenden Köln ein Imageproblem: Die Stadt erschien als Großstadt auswechselbar, roch nicht gut, hatte keine Rheinpromenade, und der Dom war (noch) eine Ruine. Außerdem war die Fahrt auf dem Fluss, wie man mittlerweile auch in Reiseführern nachlesen konnte, von Köln nach Bonn nicht attraktiv. Also konnte man den Rheindampfer genauso gut in Bonn besteigen. Diese Chance hat die Stadt genutzt: In den 1850er Jahren wurde die Rheinpromenade gebaut, und große Hotels entstanden. Ein Beitrag des Begleitbuchs ist der ,englischen Kolonie’ gewidmet, die sich im 19. Jahrhundert in Bonn entwickelte. Sie verdankte ihre Entstehung sicherlich nicht zuletzt der Universität, aber eben auch dem Rheintourismus und dem mit ihm verbundenen Imagegewinn der Stadt.

Der Blick auf die große Zeit der Rheinreisen im 19. Jahrhundert lässt auch nostalgische Gefühle aufkommen. In meiner Kindheit um 1960 gab es zwar kaum noch englische Touristen, aber der Beginn der Schifffahrtssaison auf dem Rhein war immer noch eine große Sache. An der Haltestelle der „Köln-Düsseldorfer“ spielte alljährlich am Gründonnerstag eine Blaskapelle, und am Ufer standen noch Hunderte, um das Ereignis zu feiern. Eine Reise auf dem Rhein war oft genug das, was später der Flug nach Malle werden sollte: Jahresurlaub. So ging die Hochzeitsreise meiner Eltern von Bonn nach Bacharach. Und der Drachenfels kam nicht umsonst zu seinem Alias als „Der höchste Berg Hollands“. All das ist lange her, und trotzdem bleiben das Tal des Mittelrheins und das Siebengebirge eine Reise wert.

Noch bis zum 9. März im Siebengebirgsmuseum, Kellerstraße 16, Königswinter

Eine Treppe von nationaler Bedeutung

Eine Treppe von nationaler Bedeutung

Die Freitreppe des Alten Rathauses hat bessere Tage gesehen. Ihre großen Auftritte sind rar geworden. Regelmäßig rückt sie nur noch am Karnevalssonntag in den Mittelpunkt, wenn die Karnevalisten zum Rathaussturm ansetzen. Dazu kommen seltene Ereignisse, in denen sie ihre frühere Bedeutung als große Bühne für kurze Zeit zurückgewinnt. So geschehen 2023, als die Telekom Baskets Bonn sich nach dem Gewinn der Champions League von ihren Fans auf ihr feiern lassen durften. Den Marktplatz füllen konnten die Jubelnden bei dieser Gelegenheit genauso wenig, wie die Jecken das am Karnevalssonntag schaffen. Da war Charles de Gaulle schon eine andere Nummer, als er sich am 5. September 1962 ins Goldene Buch der Stadt eintrug und danach unter Begeisterungsstürmen zusammen mit Konrad Adenauer auf die Freitreppe hinaustrat. Der Markt und der Bischofsplatz waren schwarz von Menschen, die bis weit hinein in die Sternstraße und die Wenzelgasse standen. Nach einer frei und auf Deutsch gehaltenen Rede schritt der damals akut attentatsgefährdete französische Staatspräsident zum Entsetzen seiner Sicherheitsleute die Treppe hinunter und nahm dann das, was wir heute ein Bad in der Menge nennen.

Vergleichbares hat die Rathaustreppe in Bonner Hauptstadtzeiten immer wieder erlebt. Von Theodor Heuss, der sich unmittelbar nach seiner Wahl zum ersten Bundespräsidenten von hier an das deutsche Volk wandte, über Kennedy 1963 und die Queen 1965 reicht die Liste bis hin zu Gorbatschow im Jahr 1989. Längst nicht alle Anlässe waren so spektakulär, und im Verlauf der Zeit zog auch Routine ein. Staatsbesuche waren, anders als noch in den sechziger Jahren, Alltag geworden. Trotzdem blieb die Rathaustreppe so etwas wie die Bühne der Bonner Republik. Der Grund war profan: Das Regierungsviertel lag abseits und es verfügte – Provisorium, das es war – über keine repräsentative Versammlungsfläche. Der Markt half aus.

Das gilt im übrigen auch für Demonstrationen. Bis in die achtziger Jahre hinein, als die Proteste gegen die Nachrüstung aufgrund ihres schieren Umfangs in den Hofgarten ausweichen mussten, war der Bonner Markt der wichtigste Demonstrationsort der Bundesrepublik Deutschland. Die Rathaustreppe spielte auch da manchmal eine Rolle – die vielleicht unrühmlichste am 10. April 1973, als Mitglieder der K-Gruppen im Schutz einer Studentendemonstration gegen den Besuch des südvietnamesischen Präsidenten in Deutschland das Rathaus stürmten – die Bedeutung dieser Begriffe für den Karneval mag ihnen nicht bewusst gewesen sein – und seine Einrichtung zu Klump schlugen. Danach ließen Sie sich, auf der Treppe stehend, von den Demonstranten feiern. Wir wohnten damals am Belderberg, und ich kann mich noch daran erinnern, wie die Demonstranten, im Sprunglauf untergehakt, vom Suttnerplatz kommend in die Rathausgasse einbogen und dabei den Namen Ho Chi Minhs skandierten. Der Rest ist Geschichte.

Revolutionär war es auf der Treppe schon viel früher: Am 20. März 1848 z.B. marschierte Gottfried Kinkel an der Spitze eines Zuges von Bürgern, Professoren und Studenten. Bewaffnet mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne bestieg er die Freitreppe des Rathauses und sprach, wie Carl Schurz es ausdrückte, mit „wundersamer Beredsamkeit“. Weniger lebhaft ging es am 24. Oktober 1923 zu, als um 6 Uhr morgens, bezeichnenderweise fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter dem Schutz französischer Soldaten, die „Rheinische Republik“ durch örtliche Separatisten von der Treppe aus proklamiert wurde. Der Spuk war mangels Unterstützung durch die Bevölkerung bald vorbei.

Die Bedeutung, die der Bonner Markt vor der Kulisse des Rathauses und mit der Rathaustreppe als natürlicher Bühne einst hatte, ist heute fast in Vergessenheit geraten. So erklärte der SWR jüngst, de Gaulle habe seine Rede im Hofgarten gehalten. Und Bonn erinnert sich auch nur hin und wieder an die Möglichkeiten, die das Rathauspanorama bietet. Ein großes Fest, bei dem die Bühne das Alte Rathaus verdeckt, ist eine vertane Chance. Am meisten aus den Möglichkeiten machen heutzutage noch die Brautpaare, die sich an dieser historischen Stätte trauen lassen. Gerne nutzen Sie die Freitreppe für das Spalier ihrer Gäste und bewahren so etwas von dem Charme des Ortes. Dumm nur der Ladeverkehr, der die schönen Bilder immer öfter stört. Dieser Eindruck mag subjektiv sein.

Hier erfahrt ihr mehr über die deutsch-französischen Beziehungen und de Gaulles Besuch in Bonn.